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5. Juni 2000
Zeitreise durch die Mythen der Schöpfung
Ganz schön brenzlig, dieser Expo-Beitrag, mit dem das Land
Brandenburg seine einwöchige Präsentation im Theatersaal
des Deutschen Pavillons am 18. Juni in Hannover krönen will.
Mit der „Prometheus Fantasia“, einer vom Brandenburgischen
Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen und von den Potsdamer
Hofkonzerten realisierten Produktion, stellt man sich ganz auf das
Expo-Thema „Mensch - Natur – Technik“ ein. Ein
Spiel mit dem Feuer ist diese multimediale Zeitreise durch die Mythen
der Schöpfung, die in der Reithalle Potsdam als Generalprobe
gezeigt wurde, im doppelten Wortsinn.
So ziemlich alles, was zwischen Urknall und
Auschwitz liegt, wird in pausenlosen 80 Minuten mittels Schrift-
und Filmeinblendungen, mittels teils atemberaubender artistischer
Trapez-, Vertikalseil-, Bungee- und Dance-Voltige-Einlagen, mittels
Kampfkunstdarbietungen deutscher Karate- und Taek-WonDo-Meister
und untermalt vom rhythmisch wabernden SynthieSound des Franzosen
Jerome Soudan und Bachs „Magnificat“ aufgeboten. Der
Raub des olympischen Feuers durch Prometheus mitsamt den fatalen
Folgen für das hybride Menschengeschlecht, kurzum der Irrweg
einer im Zeichen triumphalen Unheils strahlenden Aufklärung,
wird von Mike-Martin Robacki unter Einbeziehung von Bühnennebel
und reichlich Feuer effektvoll in Szene gesetzt.
Nur könnte man gut und gerne auch auf den hübsch anzusehenden
Varietéteil verzichten. Denn der Abend wird nicht vom artistischen
Dekor getragen, sondern fast ausschließlich von den vorzüglichen
vier Ballettsolisten der Komischen Oper Berlin. Allen voran der
ungemein athletische Lars Scheibner und Angela Reinhardt, die als
aus dem Paradies vertriebenes UrMenschen-Paar, später
zum Bild der christlichen Pietà erstarrt, mit ausdrucksgewaltigen
Pas de deux begeistern.
Der Weg des jungen ,,P" (Lars Scheibner)
führt entlang der Spuren, die die Fackel des Prometheus hinterließ:
die Vision vom Fliegen, die Suche nach dem irdischen Paradies, doch
auch deren zerstörerische Kehrseiten. Besonders eindrücklich
gelingen die Ensembleszenen, in denen sich das Verhältnis der
vom Menschen beherrschten Technik in ihr Gegenteil verkehrt. Die
Gegenwelt einer unheilbaren, von latenter Aggression beherrschten
Zivilisation bildet das Trugbild exotischer Ursprünglichkeit.
Angela Reinhardt, Anne-Marie Warburton und Martina Wilde tanzten
zu den Afrodrums von Abdourahmane „Gilbert“ Diop und
den Didgeridoo-Klängen Lars Dietrichs die verführische
Vision eines verlorenen Paradieses. Viel zu schön, um wahr
zu sein.
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