Die
Welt
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Tanz International / Jahrbuch 2000
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Furiose
Visionen als Reise zum Ursprung und zurück
"Prometheus Fantasia" im
EKO Eisenhüttenstadt
Entwurf von Veit Stiller für das Feuilleton in "Die
Welt"
(29. August 2000)
Es war Kaiserwetter in Eisenhüttenstadt. Das EKO hatte zum
„Tag der offenen Tür“ geladen und Tausende waren
gekommen. Ein Teil des Werkes hatte sich in einen Festplatz verwandelt
und zufrieden jauzte Groß und Klein in dem Gewimmel. Die wohl
größte Attraktion wurde bereits am Vormittag geboten:
Die von den „Potsdamer Hofkonzerte Sanssouci“ produzierte
Performance „Prometheus Fantasia“ von Mike-Martin Robacki
und Thomas Guggi mit Musik von Jèrome Soudan.
Im Anfang war das Wort! läßt Goethe
seinen Faust orakeln und nach einigem Deuteln zu dem Schluß
kommen: Im Anfang war die Tat. Was Wunder, schließlich beginnt
das Alte Testament mit einer Tat: „Gott schuf Himmel und Erde,
die ganze Welt“. Und so beginnt auch die Multimediainszenierung.
Zu dezenten Tönen werden Zitate aus dem Alten Testament als
Prolog in der Gegenwart auf eine Leinwand projiziert. Und während
das fröhliche Gewimmel noch plappernd andauert, beginnt die
Aufführung. Dann ein Krachen, nicht so laut wie der Urknall,
aber Aufmerksamkeit gebietend, und Flammen fressen sich von der
Spitze her an einer Rohrpyramide herunter. Der Vorhang hebt sich
und die Projektion zeigt sich drehende Feuerräder und Vulkaneruptionen.
Das also ist des Pudels Kern: Feuer.
Gleich darauf wird es auch auf der Erde entzündet und nicht
erlöschen, solange Prometheus es bewacht. „Mußt
mir meine Erde doch lassen stehn... und meinen Herd, um dessen Glut
Du mich beneidest...“ Aber für literarische Besinnlichkeit
bleibt keine Zeit. Die Tänzer (alle samt Solisten der Komischen
Oper Berlin), Artisten, Kampfsport-Meister und Musikanten entfachen
einen wahrhaft fantastischen Augen und Ohren in Bann ziehenden Reigen.
Mit roboterhaftem Treiben in einer Fabrikhalle beginnt eine Reise
durch Mythologie und Geschichte, die schließlich wieder am
Ausgangspunkt endet.
Wie Faust aus seiner Studierstube wird der
Zuschauer in die Welt geführt um den Werdegang mit eigenen
Sinnen zu erleben. Kriege und Naturkatastrophen, wegweisende Entdeckungen
und historische Epochen reihen sich wie Perlen einer Kette.
Ein großes Rad auf der Bühne, in der Fabrikhalle symbolischer
Transmissionsantrieb und auch ein bißchen Hamsterrad für
den darin, wird zum Schiffssteuerrad der Weltumsegler, zum Foucaultschen
Pendel und zur Wolke, auf der Christus nach der Auferstehung in
den Himmel schwebt. Projektionen lenken die Assoziationen in Bahnen
und die Weltgeschichte erscheint als sich gegenseitig bedingender,
sich ebenso ausschließender wie provozierender Gegensatz zwischen
Mensch und Maschine.
Daß man keine Chance hat, da auszusteigen
und eigenen Visionen zu folgen, liegt an Präzision und vor
allem Engagement der Darsteller, die selbst kleine Pannen (wenn
zum Beispiel ein Requisit kaputt geht) als Absicht präsentieren.
Eine hochprofessionelle Arbeit, die anzusehen ein Vergnügen
ist, von dem man leider irgendwann feststellt, daß es zu Ende
ist. Nein wahrhaftig, eigentlich nicht: gebaute Bilder, Rhythmen,
Tanzsequenzen bleiben in Erinnerung.
Und es endet natürlich nicht in der Maschinenwelt der „Modern
Times“. Am Ende steht ein freier Mensch auf freiem Boden.
Aber wie für Faust ist es auch für den Zuschauer eine
die Hoffnung tragende Vision. Alles ohne Worte. Was über die
Sinne das Gefühl anregt und so Gedanken fördert, muß
nicht hehre Worte zelebrieren: „Drum schonet mir an diesem
Tag Prospekte nicht und nicht Maschinen.“ Das ist einfach
gut. Punkt.
Wer es noch nicht gesehen hat, muß hoffen.
Die im Auftrag des Brandenburger Wirtschaftsministerium für
den Deutschen Pavillon der EXPO 2000 produzierte lnszenierung wird
in 2001 durch Deutschland touren, Köln, Ruhrgebiet und München
sind schon fest anvisiert.
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