Eine
einzigartige Bühneninstallation verband symbolisch das Oben und das
Unten, Himmel und Erde, Traum und Realität - sie schmiedete
verschiedenste künstlerische Genres zu einer spektakulären Symbiose
aus Tanz, Artistik, Kampfkunst, Musik, Licht, Feuer, Metall und Film.
Vertikalseil, Trapeze, Dance Voltige, Bungee
sowie das 300 kg schwere Stahlrad, das mit dem Darsteller in seinem
Innern u.a. auch an ihr pendeln oder als riesiges JoJo hinabstürzen
kann.
Der multimediale und genreübergreifende Charakter der als "singulär"
bezeichneten Show, vermag es, Zuschauer aus ganz unterschiedlichen
Altersgruppen und sozialen Hintergründen zu begeistern. Die
spektakuläre Funktionalität der Bühneninstallation
bildete den Spiel- und Assoziationsrahmen für eine faszinierende
Symbiose aus kraftvoller
Musik, aufwendigen filmischen Mehrfachprojektionen, pyrotechnischen
Effekten, sowie tänzerischen, artistischen und kampfsportlichen
Glanzleistungen hervorragender Protagonisten. Effekt, inhaltliche
Tiefe und Sinnlichkeit bedingen in dieser modernen Musiktheaterproduktion
einander. Der sinnbetonten Verflechtung traditioneller und neuer
Bühnenmittel gelingt es, den Menschen, seine Träume, Fragen
und Gefühle auf der Bühne ganz neu zu betonen und darzustellen.
PROMETHEUS IN FLAMES
Der prometheische Gedanke, das Bild "Prometheus"
erfuhr in den letzten Jahrtausenden einen beständigen Wandel,
man interpretierte, philosophierte und dichtete an ihm herum. Was
aber alle Interpretationen vornehmlich eint, ist die bevorzugte
Sicht auf einen aufbegehrenden, revolutionären und innovativen
"Prometheus". In den Urschriften des Hesiod findet man
"P" jedoch noch als unüberlegten, ja pubertären
Gesetzesbrecher. Die Dichter von Homer bis Goethe formten für
ihre jeweiligen Werke und Theorien aus ihm bald den Menschenbildner,
den Erzieher, den Förderer der Künste und der Wissenschaften.
Der Feuerraub als "Sündenfall" stellt sich bei Hesiod
noch als unüberlegtes Revolutionieren eines Teenagers gegen
die Regeln seines Elternhauses dar. Den Menschen brachte diese Jugendtorheit
des "P" den Verlust des Paradieses ein, denn Zeus wandte
sich von seinen Schützlingen ab und überließ sie
ihrem Schicksal, für das sie sich mit "P" und seiner
Feuergabe entschieden hatten.
Die Sehnsucht des Menschen, das verlorene
Paradies wiederzuerlangen, läßt ihn nicht zur Ruhe kommen,
und so schürt er das Feuer der Erkenntnis und des Fortschritts,
als könne es ihn zu seinem Ursprung zurückbringen oder
ihm wenigstens helfen, eine Welt zu erschaffen, die dem Paradiese
gleicht. Und dabei nutzt und verfeinert er ausgerechnet das Werkzeug,
das ihn einst vom Himmelreich trennte, mit der bangen Ahnung, daß
es das vielleicht immer noch tut.
Ein unachtsamer Augenblick, eine achtlos weggeworfene Zigarette
- harmlose Ursachen können gewaltige Folgen nach sich ziehen.
Ein Museumsbesuch gestaltet sich für einen jungen Mann plötzlich
zu einem assoziativen Ausflug in verschiedene Bilder, Kräfte
und Strömungen europäischer Kulturgeschichte. Er selbst
wird zu einem unmittelbaren Bestandteil der Szenen und erfährt
an und durch sich selbst die Zwänge, Irrungen und Träume,
die die Menschen durch die Zeit trieben und treiben.
Am Ende seines "Rundganges" wird
er aus diesem Strudel wieder herausgetragen. Er war nur ein Besucher,
während die anderen sich weiter im Rad dieser unendlichen?
Geschichte bewegen werden.
Wir freuen uns, daß wir für dieses
außergewöhnliche Projekt hervorragende Darsteller begeistern
konnten. Neben internationalen Spitzensolisten der Komischen Oper
Berlin, erleben Sie ausgezeichnete Trapez- und Vertikalseilartisten,
atemberaubende Kampfkunstszenen mit dem Karate-Europameister aller
Klassen 2000 und einem Taekwondo-Meister, faszinierende Trommler
und Didgeridoospieler aus Senegal, Brasilien, Frankreich und Deutschland.
Mike-Martin Robacki
DIE FIGUREN
„P“
Lars Scheibner
Solist - Ballett Kiel
Pandora, EVA, MARIA, ...
Angela Reinhardt
1. Solistin
„P“ und „Pandora“, assoziativ: Christus
und Maria / Adam und Eva - Gleichnis der Sündenfälle in
der Mißachtung der Gesetze Gottes - Baum der Erkenntnis oder
Feuerraub - beides gefolgt von der Ausweisung aus paradiesischen
Zuständen. Ein Menschenpaar taucht in die Bilder der kulturellen
Evolution der Erde, ausgelöst durch eine gleichnishafte Situation.
„P“ zuerst als leichtfertiger Schöpfer, die Schöpfung
überholt ihn, später als Opfer, ja Märtyrer, als
der, der bezahlt - Christusgleichnis, Evangelium. Dabei ist die
Beziehung zwischen „P“ und Pandora auch symbolisch parallel
zu betrachten mit der Beziehung von Mensch und Erde, sprich Adam
und Eva (hebr. Mensch und Leben).
Menschen (Tänzer)
Anne-Marie Warburton /
Australien / Solistin
- Ballett Kiel
Martina Wilde
Carla Ramos /
Brasilien
Hephaistos
Gert Gatschke
Karate-Europameister aller Klassen
2000
Titan
Swen Raschka
Taek Won Do - Meister
Die Götter „Hephaistos“ und „Titan“
zeigen sich in der Bühneninstallation als die Techniker, als
Überwacher und Lenker des Bühnengeschehens, ab und zu
greifen sie als Darsteller auch in die Handlung ein, forcieren den
Fortgang, führen ihn. „Hephaistos“, der Schmied
des Olymp, Bewacher des Feuers, er schmiedet „P“ an
den Kaukasus.
Mittler
Margit Bittermann -
Bungee / Trapez
Petra Tobis –
Bungee / Vertikalseil / Trapez
Die „Mittlerinnen“ als Zwischenwesen, Mittler zwischen
oben und unten, sie sind dabei in den zwanghaften Fortschritt der
Menschheit nicht eingebunden, bleiben aber trotz allem... allem
verbunden - sie tragen die Hoffnungen, Träume und Visionen,
helfen manchmal dabei, zu fliegen, sich selbst zu überwinden,
den Mut nicht aufzugeben - sie sind Reflektoren menschlicher humanistischer
Visionen, sie verkümmern, wenn die Visionen zu unterliegen
scheinen.
Musiker
Abdourahmane „Gilbert“ Diop -
Gesang / Afrodrums
Lars Dietrich -
Didgeridoo
Die Vertreter der „Urkultur“ erzählen von Urzuständen,
in denen der Mensch mit der Natur noch in Einklang war, aber nicht
nur das, sie sind das Symbol für natürlichen, freien und
kreativen Ausdruck, des Menschsein selbst.
Drummer
Daniel Hohagen /
Brasilien / Tanz & Kododrums
"Drummer" als Herzschlag des Universums auf der großen
Kodotrommel, seine tiefen Baßschläge treiben die Bewegungen,
die Zeit und die Illusionen.
PROMETHEISCHE
ASSOZIATIONEN
Als ich mir die Rokoko-Statue des gegen die göttliche Ordnung
aufsässigen „Prometheus“ anschaute, die fein herausgearbeiteten
Details seines Leides, die Wunden, die der Schnabel des an seiner
Leber fressenden Adlers reißt, die Male der Ketten, die ihn
an den Fels des Kaukasus fesseln, sah ich mich unwillkürlich
selbst, nicht als Individuum oder meines persönlichen Schicksals
wegen, in diese leidverzerrte Figur versetzt, viel eher sah ich
das Menschsein, mein Mensch-Sein auf und in dieses Bild projiziert.
Und all die Geschichten und Mythen der Menschwerdung,
seiner Uranfänge flammten auf: Der Raub des olympischen Feuers
durch Prometheus und die Unterweisung der Menschen in Kunst und
Technologie stellten sich gleich dem biblischen Sündenfall
im Garten Eden dar - das Kosten von einer köstlichen Frucht
- ERKENNTNIS. In beiden Darstellungen brachte der jeweilige Ursündenfall
dem Menschen den Zorn Gottes ein und den Bruch mit seiner paradiesischen
Fürsorge - fortan war der Mensch auf sich allein gestellt.
Ist, in Konsequenz dieses Gedankens, nicht das Vorantreiben von
Erkenntnis und Technologie eine Entwicklung, die den Bruch mit Gott
und paradiesischen Zuständen immer weiter vertieft? Schauen
wir einmal genauer auf die Motivation von Forscherdrang und Technisierung,
finden wir im Kern eine tiefe Sehnsucht; es scheint die Sehnsucht
nach der Wiedererlangung „paradiesischer Urzustände“,
verlorener Harmonie und Einheit mit Gott oder zumindest der Vorstellung,
die wir davon haben zu sein, gepaart mit dem Glauben, daß
Erkenntnis und Technologie die Werkzeuge und Wege sind, die uns,
wenn schon nicht ins Paradies, so doch ganz in seine Nähe bringen
können.
Ein Widerspruch, eine Dichotomie! - Drängt
uns tatsächlich die Sehnsucht nach Vollkommenheit immer weiter
von derselben fort? Ist das die Kette, die Prometheus am Kaukasus
geschmiedet hält? Ist der Mensch gefangen in einem unentrinnbaren
enger und rasanter werdenden Kreiseln aus Sehnsüchten, Träumen
und Zwängen mit der bangen Hoffnung, daß dieser Strudel
ihn irgendwann vielleicht aus denselben zu treiben vermag? Oder
sollte der Mensch vielleicht einfach von dieser Sehnsucht lassen,
um anzukommen, bzw. da - zusein? Ein Spiel..?
Ein Spiel der Bilder: Schöpfung - Urknall, Urelemente, Feuer,
der Versuch seiner Beherrschung, das Rad - als Symbol allen technischen
Fortschritts, Wissenschaften, Astrologie, die Weltumsegler, religiöse
Dogmen, Inquisition, Unterwerfung fremder Kulturen, Forscherdrang,
Krieg, Opfer und Leiden - aber auch Traum! Der Traum von der Befreiung
aus irdischen Fesseln, der Traum vom Fliegen, von Harmonie, der
Traum von der lebendigen Freiheit des Geistes in Schönheit
und Einfachheit.
Diese Visionen, diese Träume, die Rastlosigkeit
des Dranges nach Entdeckung und Erkenntnis füllen das Menschenbild
mit einer Farbigkeit, der man sich - und vielleicht auch ein hintergangener
Gott - schwerlich entziehen kann. Nennen wir es - mit allem Für
und Wider - ja, nennen wir es „Menschlichkeit“.
Neben der Prometheus-Statue eine Christusfigur - bezeichnenderweise
ist die Wunde in Jesu Unterleib an der gleichen Stelle wie die Wunde,
die der Adler im Leib des Prometheus hinterließ. Maria beugt
sich über ihn.
Adam, der Mensch (hebr.), liegt in den Armen
von Eva, dem Leben (hebr.). Vielleicht wird diese Umarmung das Ende
von Adam sein, vielleicht aber wird sie auch ein Beginn - der Beginn
seiner Hingabe in Eva...
Mike-Martin Robacki
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