SALOMÉ

Tanzstück von Dominique Efstratiou
Nach Klängen weltlicher und sakraler Chormusik

Mit Angela Reinhardt als Salomé
 

Libretto - Andreas Neu
Bühnenbild und Kostüme - Tina Siebert
Dramaturgie - Andreas Neu
Produzentin - Barbara V. Heidenreich

Herodes, ein Patriarch - Marko E. Weigert
Herodias, seine neue Frau - Constanze Korthals
Salome, Herodias Tochter aus erster Ehe - Angela Reinhardt
Johannes, ein fundamentalistischer Opponent - Dan Pelleg
Ein Syrer, bei Herodes in Diensten - Stojan Kissiov / Daniel Hohagen 

Eine Kooperation der Potsdamer Hofkonzerte Sanssouci mit dem Hans Otto Theater Potsdam
und den internationalen Tanzfestivals
in Nikosia und Limasol (Zypern)

 

Salomé 

Historisch hat es Salomé als Tänzerin der sieben Schleier gar nicht gegeben. Im Evangelium – auf das alle Versionen des Stoffes zurückgehen – wird nicht mal ihr Name genannt. Dort ist sie nur die Tochter der Herodias, die – auf Geheiß ihrer Mutter - für den König tanzt. Sie ist ein Teil der List ihrer Mutter gegen Johannes den Täufer. So gesehen hat sich später dann ein erstaunlicher Mythos um die Randfigur einer biblischen Geschichte über die Jahrhunderte aufgebaut. Caravaggio, Tizian, Pablo Picasso, Edward Munch und Beardsley haben sie gemalt. Richard Strauss komponierte eine berühmte Oper über sie. Heinrich Heine, Anatol France und Oscar Panizza haben über sie geschrieben. Oscar Wilde, Gustave Flaubert oder Stéphane Malarmé machten sie zur Hauptfigur – zur Projektionsfigur einer dekadenten Gesellschaft, die Salomé zur sexuellen Bedrohung hochstilisiert. Als obskures Objekt der Begierde wurde die Figur der Salomé bis ins apokalyptische gesteigert. Salomé wurde stets über ihre Wirkung auf andere definiert. Sie wurde zur Ikone des l’art pour l’art und zur Verkörperung der femme fatale.

Den Tanz – als das eigentliche Ereignis – herauszustellen, daran ist die Literatur jedoch meistens gescheitert. Deshalb lag es nahe diese Geschichte als Tanz zu erzählen. Eine heutige Sicht der Figur sollte sich auch für das seelische Innenleben seiner Protagonistin interessieren. Erst dadurch wird sie zur Hautfigur. Wenn – wie heute in der Mode- und Unterhaltungsindustrie – die berufsmäßigen „Lolitas“ dazu benutzt werden, den Bilderbedarf der erotisierten Warenwelt zu befriedigen, wenn junge Mädchen keinerlei Bewusstsein davon haben, was dort eigentlich mit ihnen geschieht, das Rollenverhalten erwachsener erotisch erfahrener Frauen darstellen und produzieren müssen, damit aber seelisch überfordert sind, dann wechselt die Betrachtung von der Täter- in die Opferperspektive. Wenn Kinder vor der Zeit zu exzentrischen Konsumenten und Jugend zum Objekt der erotischen Verwertung Erwachsener werden – die Kindheit übersprungen oder abgekürzt wird, um frühzeitig in den gesellschaftlichen Warentausch einzutreten, wenn Anerkennung und Aufmerksamkeit der Außenwelt von der Kompatibilität zur dieser Erwachsenenwelt abhängig ist bzw. gemacht wird, dann stirbt die Kindheit frühzeitig.

Zu einem Zeitpunkt, als die Kindfrau Salomé noch keinerlei Bewusstsein ihrer Wirkung als Frau – als Objekt des männlichen Blicks – von sich hat, wird ihre kindliche Seele von unangemessenen Begierden überfordert. Ein fatales Erlebnis lässt Salomé ihr Selbstwertgefühl in einer problematischen Verdinglichung ihrer selbst und anderer erfahren. In diesem Spiel kann es nur Verlierer geben - die Projektionen werden zur Falle und zum Bumerang. 

Andreas Neu


PRESSE


MAZ Artikel / 17.05.04

SALOME ALS TANZSTÜCK IM SCHLOSSTHEATER

Zwischen Naivität und Verführung JULIANE KOBELIUS

Das Festmahl des Herodes, der Tanz der Herodiastochter und die Enthauptung von Johannes dem Täufer gehören zu den wohl am häufigsten gestalteten Themen der Bildenden Kunst, Literatur und Musik. Neben Oscar Wildes berühmtem, aber skandalumwittertem Drama führte die kongeniale Oper von Richard Strauss den Salome-Mythos zum Erfolg. Als Ikone der l'art pour l'art Bewegung und zur Zeit beginnender Emanzipation stellte Salome, in der Verkörperung einer neuen Weiblichkeit als "femme fatale", die männliche Machtposition in Frage. In dem auf die Evangelien (Matthäus 14, Markus 6) zurückgehenden Stoff, findet Salome zunächst keine namentliche Erwähnung. Dass die biblische Geschichte um den "Tanz der sieben Schleier" nicht längst als Tanz erzählt wurde, verwundert.

Am Samstag wurde Salome als Tanzstück von Dominique Efstratiou auf der Bühne des Schlosstheaters im Neuen Palais uraufgeführt. Es ist bereits die zehnte Tanz-Uraufführung der Produzentin Barbara Heidenreich, eine Koproduktion mit dem Hans Otto Theater und den internationalen Tanzfestivals in Nikosia und Limassol (Zypern) und wird nicht nur im Hans Otto Theater, sondern auch in Frankfurt (Oder) und Zypern zu sehen sein.

Das Thema ist aktuell: Immer früher schlüpfen Mädchen aus den Kinderschuhen in Absatzschuhe und tauchen in die Welt der Erwachsenen ein, indem sie Verhaltensweisen kopieren. Verwirrt von pubertären Gefühlen, taumeln sie zwischen kindlicher Naivität und Spiel der Verführung, unbewusst der Wirkung, die sie auslösen. Sie wollen Aufmerksamkeit, doch rutschen sie leicht in die Rolle des Opfers lüsterner Blicke.

Bauchfrei zeigten sich die Tänzer und transparent das Bühnenbild von Tina Siebert. Die in Licht getauchten durchsichtigen Vorhänge fielen nach und nach und brachten das Kartenhaus zum Einsturz. "So schön ist sie - so schön, der Mond verheißt nichts Gutes", heißt es anfangs im Libretto von Andreas Neu, der auf das tragische Ende hinweist. Salome, (Angela Reinhardt) zwischen kindlicher Ahnungslosigkeit und erotischer Anziehungskraft, ist hin- und hergerissen zwischen aufkeimenden Gefühlen, Begehren, Ablehnung und der Macht, die sie mit ihrem sinnlichen Tanz gewinnt. Von dem Fremden (Johannes-Dan Pelleg) angezogen, doch hartnäckig zurückgewiesen, ist sie gekränkt und verwirrt. Seelisch überfordert und zerrissen von ihren Gefühlen, genießt sie die Aufmerksamkeit ihres Stiefvaters Herodes (Marko Weigert), der der tanzenden Salome jeden Wunsch erfüllen will. Herodias (Constanze Korthals), erzürnt über den zugefügten Schmerz von Herodes und Johannes, vereint sich mit der Tochter, die den Kopf des Johannes begehrt.

Salome bleibt bis zum Schluss das naive Mädchen. Unbewegt vom Tod des Syrers (Stojan Kissiov), kniet sie neben dem abgeschlagenen Kopf des Johannes und schminkt sich mit seinem Blut.

Das Stück lebt von den starken Gefühlen der Tänzer, doch was die Tänzer an Leidenschaft aufbauten, wurde durch unachtsame Bühnenhelfer gestört. Dennoch begeisterte das Stück im ausverkauften Theatersaal.


Berliner Morgenpost

Salome tanzt durch das Schlosstheater

Hofkonzerte

Die Kastanien am Neuen Palais stehen in voller Pracht, und auch im Schlosstheater wird hochgradig Frühlingshaftes, sinnlich Betörendes geboten: eine jugendfreie und dabei überhaupt nicht steril-harmlose "Salome" in der Choreografie von Dominique Efstratiou. Es ist bereits die zehnte Tanz-Produktion der Potsdamer Hofkonzerte - kein Grand Ballet, keine Luftschrauben, Salti mortali oder doppelten Rittberger. Sondern starke Bodenhaftung.

Insbesondere die Herren zeigen sich erdverbunden. Der Täufer Johannes alias Dan Pelleg zeigt noch mehr, nämlich seine beneidenswerte Bauchmuskulatur, und agiert als unnahbarer, faszinierender Fremdling am Hofe von Judäa.

Aber erst die Ladies! Salome wird als Kindfrau interpretiert, trotzig, verführerisch, sich selbst ein Rätsel; Angela Reinhardt verstreut in dieser Rolle so viel Sex-Appeal, wie ihn keine Lolita je besessen hat. Und vermeidet selbst im roten Schlüpfer jedwede Schlüpfrigkeit. Auch Herodias, stolz und gazellenhaft getanzt von Constanze Korthals, hat beschaulichen Anteil am Erfolg.

Die Musik kommt aus dem Lautsprecher. Neben dezenten orientalischen Klängen gibt es orthodox Liturgisches von Prokofjew - der Täufer darf dazu in einer blutroten Vision seinen Untergang vorhersehen. Die Verzweiflung des von Salome verschmähten Syrers untermalt Samuel Barbers berühmtes Adagio, hier in ein Agnus Dei verwandelt, und die "Fratres" von Arvo Pärt erklingen ironischerweise zu Salomes Erweckungsszene, in der die junge Dame das Triebleben entdeckt und ihre goldenen Ärmelschoner in die Ecke feuert. Resümee: hingehen! Ab Oktober wieder im Hans Otto Theater.

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DIE CHOREOGRAPHIN


DOMINIQUE EFSTRATIOU

wuchs in Nikosia/ Zypern auf. Nach Abschluss des Studiums an der Fachschule für Tanz in Leipzig wurde sie am Städtischen Theater Leipzig engagiert. Anschließend studierte sie an der Staatlichen Schauspielschule Berlin „Körperbildung und Bewegung für Schauspieler“ bei der renommierten Bewegungspädagogin Hilde Buchwald und wurde als Dozentin für Bewegung und Tanz an der HFF Potsdam-Babelsberg verpflichtet. Danach absolvierte sie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ ein Choreographiestudium.
Währenddessen wurde sie Preisträgerin des Nationalen Tänzer- und Choreographenwettbewerbs der damaligen DDR.

Seitdem arbeitet Dominique Efstratiou als Choreographin an renommierten Theatern Deutschlands, u.a. an der Komischen Oper Berlin, am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, am Opernhaus Halle, am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken, am Staatstheater Cottbus sowie im Ausland. Außerdem ist sie als Mitarbeiterin bei Opern- und Schauspielproduktionen gefragt. Dominique Efstratiou inszeniert bevorzugt eigene Tanzstücke, die sich mit dramatischen Stoffen und faszinierenden, starken Frauen der Mythologie und Geschichte auseinandersetzen.



Künstlerische Tätigkeit

1973 -76 Engagement am Staatlichen Theater Leipzig als Tänzerin
1979-99 Lehrtätigkeit als Künstlerische Oberassistentin für Bewegung und Tanz in der Abteilung Schauspiel an der Hochschule für Film- und Fernsehen (HFF) Potsdam-Babelsberg / Zuerkennung der Lehrbefähigung „Facultas Docendi“
seit 1990 freiberufliche Choreographin

Choreographische Arbeiten

1989 „Am anderen Ufer“, „Elektra Monolog“, „Francoise“
Preise des IX, Ballett- und Choreographiewettbewerbs der DDR
„Medea thimisu“ u.a. in der Komischen Oper Berlin
1990 „Verwirrung“ Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin
1991 „Kirke und Odysseus“ (Libretto Franz Fühmann) u.a. am Opernhaus Halle
1992 „Königreich Zypern“ Beitrag Zyperns für das Festival des Mediterranen Theaters in Griechenland
1993 „Uferlos“, „Orestis Monolog“ Freies Tanztheater Berlin
1994 „Guten Morgen, Käthchen“ Freies Tanztheater Berlin
1996 „Atreus Kinderkinder“ Saarländisches Staatstheater Saarbrücken
1998 „Medea“ Theater des Lachens Frankfurt/0,
1999-01 Choreographische Mitarbeit in Schauspiel- und Operninszenierungen
2002 „Die letzte Nacht der Maria Stuart“ Schlosstheater im Neuen Palais in Potsdam Sanssouci, Staatstheater Cottbus

 

 


 

 

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