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Remscheider General Anzeiger,   05. Oktober 2004

"Romeo und Julia" im Teo Otto Theater

Von Anne-Kathrin Reif

Diese beiden muss man lieben
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Nur eine Nacht ist ihnen vergönnt: Angela Reinhardt und Gregor Seyffert als Romeo und Julia

Den Geschöpfen, die so fein, so verletzbar sind geblieben, kann man Zärtlichkeit nicht wehren, muss man einfach lieben. So wie Pater Lorenzo, der in der Kammerballettfassung von "Romeo und Julia" als Erzähler der Geschichte fungiert, geht es auch dem Zuschauer:

Man muss sie lieben, diese bezaubernde Julia, diesen entflammten Romeo, aber auch den gemütvollen Pater und die komplizenhafte Amme. Von Tom Schilling ursprünglich als großes Ballett für die Komische Oper in Berlin choreografiert, genügen in der Kammer-Fassung von Mike-Martin Robacki drei Tänzer und ein Schauspieler, um alle Facetten der ebenso berühmten wie tragischen Liebesgeschichte auf die Bühne zu bringen. In der äußerst reduzierten Kulisse, wo nur die wichtigsten Ortswechsel durch Projektionen angezeigt werden, konzentriert sich alles auf die Darsteller. Ihre große Kunst - und der Reiz dieser Inszenierung - besteht darin, dass trotz der großartigen Beherrschung tänzerischer Technik diese nie zum selbstdarstellerischen Zweck wird. Sie steht stets im Dienste des Ausdrucks, der wahren Emotionen.

Federleicht beginnt die Geschichte im Rückblick des alt und melancholisch gewordenen Bruder Lorenzo. Angela Reinhardts Julia im flatternden weißen Kleidchen, die Schritte mit scheinbar größter Leichtigkeit graziös auf die Spitze setzend, ist die Anmut selbst. Gregor Seyffert, obwohl altersmäßig der Rolle fast schon entwachsen, verkörpert mit leichtfüßigen Sprüngen die Bühne durchmessend gleichwohl überzeugend jugendliches Ungestüm. Hingegeben an das Glück der ersten Liebe. Nicht von verhängnisvoll-verbotenem, leidenschaftlichen Begehren Getriebene sind diese beiden, sondern ganz Jugend und Unschuld, verspielt und ganz hingegeben an dieses Glück der ersten Liebe. Man muss sie einfach lieben und ihnen, auch verbotener Weise, zu ihrem Glück verhelfen: Das vermitteln Angela Philipp als Julias Amme und Hans-Dieter Scheibel als Bruder Lorenzo mit großartiger tänzerischer bzw. darstellerischer Ausdruckskraft.

Allein, das blinde Schicksal oder der rätselhafte Entschluss eines Gottes, der selbst Bruder Lorenzo damit in Zweifel stürzt ("Prüfe meinen Glauben nicht an diesen beiden!") will es anders. Hochdramatisch gerät der tragische Umschlag der Geschichte gerade im Kontrast zu ihrem spielerisch-leichten Anfang. Erheblichen Anteil an der packenden Vermittlung des Stoffes hatten die Bergischen Symphoniker unter dem Dirigat von Romely Pfund. Wie aus einem Guss fügten sich tänzerische Darstellung und die musikalische Gestaltung von Sergej Prokofjews 1940 uraufgeführter Ballettsuite ineinander; punktgenau das Zusammenspiel, in der emotionalen Dramatik ein perfektes musikalisches Abbild des Bühnengeschehens vermittelnd. Das Publikum dankte allen Beteiligten mit "standing ovations".
 


Bergische Morgenpost,  04. Oktober 2004

"Romeo und Julia" ‑ außerordentlich

VON GISELA SCHMOECKEL

Wie von inneren Schwingen getragen, leichtfüßig, elegant, zugleich mit höchster expressiver Kraft tanzt Gregor Seyffert die Liebe des "Romeo". Zur fliegenden Skulptur verwandeln sich die Falten seines Mantels; die schwarze Grafik seiner Gestik kontrastiert mit der federleichten Zartheit von Angela Reinhardts "Julia", bis beide in Tom Schillings Choreographie vom Tanz der reinen Liebe zu höchstmöglicher Schönheit artistischer Gestaltung gelangen.

Im Teo Otto Theater war am Wochenende die außerordentliche Wirklichkeit und Wahrheit eines Gesamt‑Kunstwerks zu erleben, das Solotanz, Orchestermusik und die Darstellungskraft des epischen Theaters zu neuer Einheit führte. Präzision und Sensibilität fanden gleichermaßen Ausdruck in der modellierenden Klarheit des Spiels der Bergischen Symphoniker unter Leitung von Generalmusikdirektorin Romely Pfund. Die Dynamik ihrer Musik, der Wechsel zwischen lichter Seligkeit und tiefer, dissonantisch geballter Bedrohung waren Basis und Motor für das Bühnengeschehen.

Traum und Wahrheit

Mike‑Martin Robackis Reduzierung von Prokofjews vielfiguriger "Romeo und Julia" ‑ Vorlage zum solistisch getanzten "Kammerballett" und die Zusammenführung der Rolle des Paters Lorenzo in bester Brecht‑Tradition sorgen für reizvolle Brechung. Denn die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart und der Kontrast zwischen der allzumenschlichen, in der Not des Daseins gewachsenen körperlichen Fülle des alten Paters mit dem Erlebnis der traumhaften Schönheit von Romeo und Julias Liebe, getanzt in der grazilen Artistik von Gregor Seyffert und Angela Reinhardt, stellt eine Zwischenwelt von Schönheit und Realität, Traum und Wahrheit her.

Hans‑Dieter Scheibel als Pater Lorenzo macht in Mimik Sprache und Spiel diese Rolle verstehbar, das Empfinden für das Wunder dieser reinen Liebe. Als ihr tiefrot glühendes Symbol liegt die Rosenblüte während des ganzen‑ Geschehens auf seinem nüchternen Schreibpult. Auch Angela Philipp begreift Tanz und Rolle im Kontrast, so zauberhaft stellt sie das hölzerne und übertriebene, zugleich mitfühlende handelnde Amme dar. 

Angela Reinhardt und Gregor Seyffert halten das Publikum in Atem. Im Tanz des Romeo finden die weiten, hohen bis ins äußerste gestreckten Sprünge, die wahnwitzig schnellen Drehungen und die Steigerung der Gestik ihre Form für Verzückung und Hingabe, Hochstimmung, Sehnsucht und tiefe Verzweiflung.

Angela Reinhardts Spitzentanz wird zumAusdruck mädchenhafter Reinheit. Beide gemeinsam steigern die Klassizität des Duos mit neuer dynamischer Leidenschaft und Passion. Diese Verwandlungskraft des Paartanzes eröffnet eine vollkommen neue Dimension des traditionellen Spitzentanzes.

Bravorufe und langer Beifall dankten für ein wunderbares Kunstereignis, ermöglicht durch diese von Helga Müller‑Serre initiierte, zweite Koproduktion des Teo Otto Theaters und der Bergischen Symphoniker mit Gregor Seyffert, dem bedeutenden Deutschen Tanzpreisträger 2003.
 


Siegener Zeitung,  Montag 15. Dezember 2003


Liebe in Augenblick und Ewigkeit

 "Romeo und Julia": brillantes Kammerballett / Aufführung mit Philharmonie Südwestfalen

Gregor Seyffert und Angela Reinhardt tanzten eine leidenschaftliche Liebe ‑ die von Romeo und Julia.

 ciu Siegen. Die Welt, die den Mann und die Frau umgibt, brennt. In einem Feuer, das ihr Einander‑zugeneigt‑Sein entfacht hat. Es ist, was nicht sein darf. Liebe in einer von Hass bestimmten Umgebung. Todfeindschaft herrscht zwischen den Häusern Capulet und Montague. Der Rahmen für ein inniges Du‑und‑Du ist nicht gegeben. Romeo und Julia haben keine Chance. Oder etwa doch? ‑ Eine Frage, der die Shakespeare'sche Dichtung nachgeht und die ihre Lösung erst in der jenseitigen Welt findet. Im Tod sind Romeo und Julia auf ewig vereint. Aber was, wenn er auf ihr Bitten gehört und den ermordeten Freund nicht gerächt? Wäre das ein Anfang für friedlichere Zeiten in einer brennenden Stadt gewesen? Vielleicht. Doch die Geschichte endet tragisch. Der Liebesklassiker Romeo und Julia" kam am Freitagabend im großen, dicht besetzten Saal der Siegerlandhalle zur Aufführung. Als Kammerballett ‑ und vielleicht gerade darum von ungeheurer Spannung, Dramatik, Leidenschaft. In der symbolträchtigen Fassung der Komischen Oper Berlin (Choreographie: Tom Schilling) tanzten Angela Reinhardt und Gregor Seyffert ‑ beide Stars in der Ballettszene, vielfach ausgezeichnete Tanzkünstler ‑ die Titelpartien; die Amme, ein verhuschtes, grotesk daherkommendes Frauenzimmer, gab Angela Philipp; den Mönch Lorenzo, der als Erzähler die Handlung straffte, vorantrieb und (lakonisch) kommentierte, mimte der Schauspieler Hans‑Dieter Scheibel. Prokofjews Musik (und das war eine Premiere im Konzept der Komischen Oper) kam nicht vom Band, sondern wurde live und mit Klasse aus einem eigens eingerichteten Orchester"graben" von der Philharmonie Südwestfalen eingespielt. Die musikalische Leitung hatte Myron Romanul.

Die Inszenierung konzentrierte sich auf die beiden Liebenden, Romeo und Julia. Seyffert/Reinhardt flochten aus anfänglich zarten Banden, einem Abtasten, dem sich vorsichtig Nähern, aus geheimnisvollem Glück eine starke Bindung, die alles Irdische zweitrangig werden lässt. "Das Jetzt, nur dieser Augenblick, ist für die Liebe von Gewicht", sagt Pater Lorenzo, der eifrig mitmischt in einer intriganten Welt. Wohl auf der Seite des Paars und doch unentschlossen. Der Gottesmann schaut zu ("einmal angefangen, nahm das Unheil seinen Lauf...") zwischen die Feinde tritt er nicht.

Zählt nur der Moment , dann gilt es, ihn auszukosten. Wie Romeo und Julia, die im Schatten des nächtlichen Gartens ihre Liebe leben können. Der Tänzer, die Tänzerin geben diesem Sich‑aufeinander‑Einlassen, dem bedingungslosen Vertrauen, dem Glück Ausdruck. Sie fliegt auf ihn (zu), er hält und trägt sie. Beide lassen das Gestern und Morgen vergessen. Von Unheil keine Spur, das kündigt sich wenig später an. Romeo hat getötet ‑ aus einem Trauermarsch entwickelt sich ein wüster Totentanz, bei dem auch Zofe (nun gar nicht mehr komisch) und Mönch mitmischen.

Fast verzweifelt: der Liebestanz (zwei Körper, eng verschlungen) auf dem Liebeslager, das wenig später zum Totenbett wird. Tiefe Trauer, ein aufwühlendes Sterben ‑ Romeos (eigentlich sinnloser) Suizid wühlt auf. Dass Julia ohne ihn nicht weiterleben kann, ist fast verständlich. Auch sie stirbt. Und mit ihr die Hoffnung auf Frieden. Ensemble und Orchester ernteten für ihr mitreißendes Spiel lang anhaltenden Applaus.
 


Westfälische Rundschau, 15.12. 2003 Theater Siegen - Siegerlandhalle

Ballett-Gala als ästhetischer Luxus und Weltkunstwerk in fokussierter Fassung

Siegen. (Loh) Siegerlandhalle am Freitagabend:
Eines der großen Dramen der Literaturgeschichte, einer der musikalischen Welterfolge,
ein "corps de ballet" der Extraklasse -
und das mit Live-Musik der Philharmonie Südwestfalen. Ein gewaltiger Luxus!

Nicht allein, dass ein Orchester Dienst tut, wo üblicher Weise die Ballettmusik vom Band läuft: die Tänzer und die Musiker müssen sich in Sonderproben an einander gewöhnen. Die Zeitmaße müssen stimmen, Schritte und Figuren passen, die Atmosphäre konvenieren. Dafür war das Tanz-Ensemble, das an der Komischen Oper Berlin zu Hause ist - Choreograph Tom Schilling - zwei Tage vorher nach Siegen gekommen. (Die WR berichtete.) Zur Aufführung kam eine fokussierte Fassung. Aus dem großen "Romeo und Julia"-Ballett hat Regisseur Mike-Martin Robacki ein Kammerballett für drei Tänzer und einen Schauspieler gemacht.

 

Auf wichtigste Personen reduziert

 

Das Werk wird zeitlich gekürzt und reduziert auf die wichtigsten Personen und Szenen. Der Kenner wird einige Highlights - den Tanz der Ritter zum Beispiel - vermissen. Aber er verliert bei dieser Konzentration die Geschichte der beiden Liebenden nie aus dem Blick und mag das als Verdichtung genießen.

 

Verzicht auf opulenten Pomp

 

Den Gang der Handlung lässt Robacki von Pater Lorenzo (Hans-Dieter Scheibel) in schlichten und meist gereimten Texten aus eigener Feder berichten und reflektieren: "Hass und Liebe - beide sind so unergründlich / und trotzen dem Verstand."

 

Die Empfindungen der Besucher in der ausverkauften Halle waren ausgespannt zwischen tiefer Anrührung und ästhetischer Bewunderung für die Tanzdarbietungen und für die Leistung der Musiker, die im Orchestergraben vor der Bühne weit auseinander gezogen platziert waren. Dirigent Myrion Romanul erreichte dennoch die klangliche und rhythmische Synthese.

Angela Reinhardt, erste Solistin in der Komischen Oper und internationale Preisträgerin, tanzte die Julia. Den Romeo stellte Gregor Seyffert dar, "Weltbester Tänzer 1997" und Träger des Deutschen Tanzpreises 2003. Die Welt außerhalb der beiden Liebenden verkörperte Angela Philipp als Julias Amme in der dritten Tanzrolle.

Die Drei tanzten klassisches Ballett auf einer Bühne, die mit geringsten Andeutungen des Handlungsortes auskam - also unter Verzicht auf opulenten Pomp und damit nur der Faszinationskraft ihrer Schritte und Sprünge, der Ausdruckskraft ihrer Körpersprache und der Interpretationsfähigkeit des Publikums vertrauend.

Tänzerischer und dramaturgischer Höhepunkt war vielleicht - nach der heiteren Zeremonie der Eheschließung - die Ekstase ihrer nächtlichen Leidenschaft. Der Zuschauer weiß derweil schon, dass es keine Wiederholung gibt. Prokofjew wollte ursprünglich einen glücklichen Ausgang, "weil Tote nicht tanzen können". Er hat das Gesetz der Tragik dennoch akzeptiert, aber dieses Ende musikalisch raffiniert verklärt.
 


Main-Echo Montag, 27.01. 2003 Stadttheater Aschaffenburg

 Dem poetischen Realismus verpflichtet

»Romeo und Julia« als Kammerballett im Stadttheater - Mike-Martin Robacki als Regisseur

»Braucht denn wirklich diese Welt das Opfer dieser beiden?« fragt Pater Lorenzo gegen Ende des Tanzdramas »Romeo und Julia« in den Theaterraum hinein und kann bekannterweise nicht verhindern, dass die Shakespeare-Tragödie ihren tödlichen Ausgang findet. Da jeder im Zuschauerraum den Verlauf der berühmtesten Liebesgeschichte der Welt kennt, kann der Focus nur auf der Ausdrucksstärke und Authentizität der Tänzer liegen, um Spannung zu erzeugen. Tom Schilling, der berühmte Chefchoreograf der Komischen Oper Berlin, hat das einzig Richtige getan: sich beschränkt. In der aktuellen Bearbeitung als Kammerballett lenkt Regisseur Mike-Martin Robacki den Spot auf zwei der derzeit besten deutschen Tänzer: Angela Reinhardt und Gregor Seyffert.

Es entstand ein Tanzdrama der leisen und eindringlichen Töne, das in perfekter Harmonie lebt zwischen dem schlichten, dennoch symbolhaft farbbestimmten Bühnenbild, poetisch-philosophischen Wortbetrachtungen, die die tänzerische Handlung kommentieren und sich der Sprache Shakespeares nähern, ohne sie wörtlich zu übernehmen und dem emotionsgeprägten tänzerischen Ausdruck. Vor diesem symbolhaft verdichteten Vordergrund tritt Sergej Prokofiews Musik dezent zurück, um die Figuren lebendig werden zu lassen. Die Gesichter der Tänzer scheinen der pathetischen Tragik eines Romeo und einer Julia entrückt zu sein und gewinnen dadurch eine Distanz, die die Tänzer gleich wieder aufheben durch die sinnliche Eindringlichkeit ihrer Bewegungen. Es entsteht ein Liebesspiel von der sehnigen Sanftheit einer Katze, nie pathetisch, nie verschnörkelt, nie überladen, das sich ganz dem poetischen Realismus verpflichtet. Beider Ausdruck fußt tief im klassischen Ballett und webt immer wieder moderne Elemente mit ein, die sich mit fliegender Leichtigkeit zu überraschenden Körperbildern zusammensetzen. Ein Sahnestück hat das Kulturamt nach Aschaffenburg geholt und dadurch seinen Anspruch gekräftigt, hochrangiges Tanztheater anzubieten.

Gregor Seyffert, der 35-jährige Leiter der Staatlichen Ballettschule in Berlin, 1997 mit dem »Tanz-Oscar« Prix Benois de la Danse-UNESCO zum weltbesten Tänzer gekürt, trägt 2003 den Deutschen Tanzpreis und steht damit in einer Linie mit den berühmtesten Tanzpersönlichkeiten der Republik, allen voran Pina Bausch. Dem Romeo gibt er stolze und betörende Züge, auch wenn man glaubt, dass er seine Ausdrucksfähigkeit an diesem Abend nicht ganz ausspielt. Angela Reinhardt tanzte schon mit 22 Jahren als Solistin an der Komischen Oper Berlin und prägt die Julia als zärtliche, sinnliche und übermütige Frau, die der schaurigen Entwicklung ihrer großen Liebe fassungslos zusehen muss.

Nur zwei weitere Personen treten auf die in ihrer ausdrucksstarken Schlichtheit faszinierende Bühne: die Zofe, verkörpert von Angela Philipp, die ihrer Figur trotz der angelegten Spröde komödiantischen Schalk verleiht. Und der Erzähler, Pater Lorenzo (Hans-Dieter Scheibel), der angenehm sonor und dennoch glasklar poetisch à la Shakespeare herrliche Sätze spricht der Art »Nur das Jetzt, dieser Augenblick, ist für die Liebe von Gewicht«. Wenn die Zuschauer nicht ganz so bewegt sind, wie man es hätte erwarten können, dann mag das an dem Gefühl liegen, die Tänzer hätten nicht alles gegeben, was in ihnen steckt.

 Sabine Schömig
 


Mindener Tageblatt 1. November 2002-11-01

Aus einem Guss

Reinhardt und Seyffert tanzten "Romeo und Julia"

Von Ralf Kapries

Minden (pri). Einen wunderschönen und hochwertigen, professionell gestalteten Abend konnten Mindener Ballettfreunde am Mittwoch in ihrem Stadttheater erleben.

 

Mit Teilen des Ensembles der Komischen Oper Berlin, allen voran der Weltklasse-Tänzer Gregor Seyffert mit seiner mindestens ebenbürtigen Bühnenpartnerin Angela Reinhardt, entstand mit der Kammerballett-Version von "Romeo und Julia" ein ergreifendes Meisterwerk des Ausdruckstanzes.

Die Handlung der weltbekannten Geschichte darf vorausgesetzt werden, ist doch "Romeo und Julia" längst zu einem sprichwörtlichen Synonym für eine heftige, tragische Liebesbeziehung geworden. Weniger die "Story" als vielmehr die emotionale Resonanz dürfte jedoch die nun schon vier Jahrhunderte andauernden Wirkungsgeschichte des Shakespeareschen Bühnenwerkes tragen. Das Drama ist daher für seine Umsetzung in die unmittelbar das Gefühl ansprechende Ausdrucksform des Balletts besonders geeignet.

Sergej Prokofiew hat dies erkannt und auch die für Shakespeare typischen - selbst in der Tragödie noch vorkommenden - komischen Elemente augenzwinkernd in seine Komposition eingearbeitet. Der Choreograph Tom Schilling hat all dies in seine Arbeit einfließen lassen.

Für die genaue Umsetzung jedoch bedarf es so grandioser Tänzer wie Gregor Seyffert als Romeo und der überaus jugendliche wirkenden Angela Reinhardt als Julia. Sie tanzten ästhetisch geradezu vollkommen und schlossen die virtuosen Teile ihrer Darbietung gekonnt in die restlichen Bewegungsabläufe ein - Effekthascherei ist für beide nicht nötig. So entstand ein Gesamtwerk, dass Dramatik genauso auslebt, wie es Stille aushält. Die Wirkung auf die Zuschauer war entsprechend intensiv, ihr Dank an die Bühnenkünstler daher ausgeprägt.

Angela Philipp als treusorgende Amme Julias entsprach dem hohen Niveau der Gesamtleistung und verstand es, die komischen Elemente ihrer Rolle behutsam aber merklich in ihre Darbietung einzubinden. Das gelang auch Hans-Dieter Scheibel, der seiner Sprechrolle als sehr lebendig wirkender, lebensnaher Pater Lorenzo im Zusammenspiel mit seinen Partnern gelegentlich tänzerisch wirkende Elemente hinzufügt, womit er die Erzählerrolle nahtlos in die Inszenierung einband.

Zur gelungenen Aufführung trugen wesentlich Eleonore Kleibner mit ihren dezent-eleganten Kostümen und Swen Raschka mit seinem schlichten und zweckmäßigen Bühnenbild bei, welches Rico Heidler mit seiner in ihrer ausgewogenen Einfachheit auf hohes professionelles Niveau hindeutenden Lichttechnik mit Ausdruck füllte. So entstanden reizvolle ästhetische Bilder in diesem Bühnenkunstwerk aus einem Guss.

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DEWEZET (Hameln) 18.05. 2002 

Romeo & Julia: 
Schritt für Schritt ein genüsslicher Ballett-Abend
 

Komische Oper Berlin begeisterte mit der größten Liebestragödie aller Zeiten 

Traumhaftes Liebespaar: Angela Reinhardt als Julia und Gregor Seyffert als Romeo.

 Von Kerstin Hasewinkel

Hameln. Romeo und Julia, ein Klassiker. Um Liebe und Leidenschaft, Hass und Tod. Die Mutter aller Liebesgeschichten, obwohl - oder gerade weil - sie kein Happy End hat. Der Stoff, aus dem die Träume sind,- und was kann es Traumhafteres geben, als Romeo und Julia als Romantisches Kammerballett? Zumal in einer solchen Star-Besetzung, wie sie die Inszenierung der Komischen Oper Berlin (Musik: Sergej Prokofiew; Texte & Regie: Mike-Martin Robacki) dem Hameiner Publikum am Donnerstagabend bescherte. Donnernder Applaus war der Lohn für die drei Tänzer und einen Schauspieler.

Solisten, die die Herzen der Zuschauer erobern

Es sind vor allem die beiden (mehrfach ausgezeichneten) Protagonisten, ob als Solisten oder im Pas de deux, die durch ihre meisterhafte Professionalität die Herzen der Zuschauer erobern. Da ist die bezaubernde Angela Reinhardt, der die Rolle der Julia in die Wiege gelegt zu sein scheint. Leichtfüßig und zart ist sie zu Beginn das unschuldige Mädchen, das von der ersten Verliebtheit verzaubert wird. Allein durch ihren ausdrucksstarken Tanz gibt sie Julia Profil, mühelos gelingt ihr der Wandel hin zu den tiefen Gefühlen, die ihren Höhepunkt im geradezu erotischen Pas de deux mit Romeo finden, bis hin zur Verzweiflung über den Tod des Liebsten die Erste Solistin ist eins mit Julia. 

Das klassische Paar der Literatur-Geschichte schlechthin findet seine hundertprozentige Entsprechung auf der Bühne, denn der feengleichen Angela Reinhardt steht ein romantisch-kraftvoller Gregor Seyffert zur Seite. Der Berliner Kammertänzer und Träger der Auszeichnung Weltbester Tänzer 1997" ist ein Meister seines Faches, beherrscht jede Faser seines Körpers bei Hebungen, Drehungen und Sprüngen. Voller Emotionen ist sein Tanz. Auch Seyffert ist die idealbesetzung für den Romeo - geradezu ergreifend die berühmte Balkonszene, wenn er sich zum letzten Abschied an der Brüstung mit einer Leichtigkeit emporzieht, um Julia einen zarten Kuss zuzuwerfen. Zwei Körper, zwei Herzen, die zu einem verschmelzen Spiel und Tanz der beiden wird beherrscht von Gefühl und Anmut. Das alles gelingt in der Choreographie von Tom Schilling (Träger des Deutschen Tanzpreises 1996) ohne jeden Kitsch und das oft Pompöse des Balletts. Durch moderne Elemente wird dem Klassischen das Schwere genommen. Die Inszenierung kommt geradezu minimalistisch daher - die Kulisse wird auf wenige Bilder reduziert, die allerdings voller Symbolkraft stecken: knallrot sind Laken und Bett als Brautgemach des Liebespaares, blutrot färbt sich der (auf die Bühne projizierte) Himmel nach Mord und Rache, die Romeo zur Flucht zwingen. Dank Pater Lorenzo (Schauspieler Hans-Dieter Scheibel), der durch die Ereignisse führt, verliert keiner den roten Faden. Auch die Solistin Angela Philipp füllt ihre Rolle der Amme perfekt aus, auch sie beherrscht jeden Schritt und auch das komische Element der Figur, ohne sie ins Lächerliche zu ziehen.

Schritt für Schritt fügen sich zu einem gelungenen Gesamtkunstwerk zusammen - ein hoch genüsslicher Ballett-Abend!
 


© SÜDKURIER GmbH 22.03.2002

Schlichtheit, die überzeugte

Besonderer Ballettabend


Ein Ballett-Abend der besonderen Art ließ das Kulturamt Villingen-Schwenningen den Besuchern des Theaters am Ring zuteil werden: Tom Schilling, jahrelang künstlerischer Leiter und Choreograph des Tanztheaters der Komischen Oper Berlin, legte bei seinen Inszenierungen stets Wert darauf, vordergründige Opulenz durch poetische Schlichtheit zu ersetzen.
Für "Romeo und Julia" benötigt Schilling gerade mal vier Personen. "Die hatten es aber in sich". Vor allem die Ersten Solisten Angela Reinhardt, als Julia, und Gregor Seyffert (Romeo) wussten mit technischer Perfektion und beeindruckender Ausdruckskraft zu überzeugen. Die gewagtesten Schritte und Sprünge des klassischen Balletts verbanden sich dabei mit Elementen des modernen Tanzes, mit einer Leichtigkeit in einer selbstverständlich erscheinenden Präzision zu Sergej Prokofiews Musik.
Regisseur Mike-Martin Robacki schrieb auch die Texte. Hans Dieter Scheibel fungiert in der Rolle des Pater Lorenco als Erzähler. Als alt gewordener Mann erinnert er sich an die Zeiten, in denen er die Geschehnisse des Liebespaares und ihren verfeindeten Familien direkt miterlebte.
Die Bühne ist fast frei von jeglichen Dekorationen, was den Blick auf das Wesentliche, den Tanz von Reinhard und Seiffert, sowie von Angela Philipp als Amme, freigibt. Lediglich für die "Balkonszene" wird ein über zwei Meter hohes Bühnenelement eingesetzt, auf dem, oben stehend, Julia ihren Romeo empfängt.
Die Symbiose aus Hauptszenen des großen Balletts mit den Worten des Erzählers lassen Robackis Kammerballettfassung zu einer Eigenständigkeit werden, die durch Poesie und die Konzentration auf die Protagonisten besticht. Ein außergewöhnlicher Abend, nicht nur für Ballettfreunde.

Rüdiger Klotz
 


Bergische Landeszeitung 27.04. 1999 

Komische Oper Berlin kredenzte einen Ballettabend für Gourmets 

Von Liebe, Leid und Tod:
,,Romeo und Julia"im Löwen

Von Annelis Griebler agr Bergisch Gladbach.

Die Liebe, sie ist ,,wie Schatten wan­delbar, wie Träume kurz", so lehrt es Shakespeares ,,Sommermachtstraum", so erleben und erleiden es seine Liebenden von Verona, Romeo und Julia.
Ihr gemeinsamer tragischer Tod machte sie unsterblich -auch auf dem Tanztheater, ihre Geschichte ließ Tom Schilling in der Komischen Oper Berlin in ungewöhnlicher Weise nacherzählen: zu Sergej Prokofiefs Musik und zu klassizistisch neu gefaßten,  kommentierenden Texten von Mike-Martin Robacki (Regie) choreographierte er ein ,,Kammerballett" für drei Solotänzer und einen Schauspieler. 

· Raffinierte Schlichtheit, überzeugende Akteure

Die unmittelbare und eindringliche Wirkung dieser experimentellen Produktion liegt in ihrer raffiniert einfachen, selbstverständlichen Art, Tanz als darstellende Kunst zu insze­nieren mit überzeugenden Interpreten, in geglückter Übereinstimmung mit den klaren Formen und emotionsbetonten, vitalen Spannungsböigen der musikalischen Vorlage.
Die Uraufführung im Früh­jahr 1996 bei den Potsdamer Hofkonzerten von Sanssouci muß wunderschön gewesen sein - aber auch die Wiederholung nun (in Premierenbeset­zung, zu gut gesteuerter Musik­einspielung aus der Konserve) als Gastspiel im Bergischen Lö­wen verzauberte ihr Publikum.

· ,,Auch damals brannten Städte!"

Tom Schilling - Gründer und Leiter des Tanztheaters an der Berliner Komischen Oper, Träger des Deutschen Tanzpreises, nebenbei bemerkt - konzentrierte die Legende auf ihre Hauptszenen, verbunden durch die aus einem ,,Tagebuch" rezitierten dramatischen Erinnerungen des Paters Lorenzo (Hans-Dieter Scheibel) an ,,Veronas blutigen Bürgerkrieg", der (auch) die Familien der Capulets und der Montagues tödlich trennt. Vergangenheit nähert sich der Gegenwart, wenn Lorenzo klagt ,,Auch damals brannten Städte!", wenn er mahnt „Du sollst nicht töten!" - wer denkt da nicht an Sarajewo, an Kosovo? ,,Doch inmitten beider Häuser Frevel wuchs ein Pflänzchen unbefleckt und lebensfroh, es war die Liebe dieser Feinde Kinder, von Julia und Romeo...“ Getanzt werden diese „Kinder" - in der Tat „lebensfroh“, zärtlichkeitsuchend mit dem Charme der Unschuld, zwischen Werbung und Erfüllung, verspielter Erotik und romantischer Leidenschaft - von der filigranzarten Angela Reinhardt und von Gregor Seyffert (wieder nebenbei bemerkt: ,,Weltbester Tänzer 1997") vor dem Hintergrund farbig ausgeleuchteter Symbolistik. 

· Natürliche Anmut, tänzerische Virtuosität

Sonst lenkt keine Dekoration von der Handlung ab, die Bühne bleibt frei für eine flüssige, leicht verständliche, illustrativ-pantomimische Choreographie, entwickelt auf solider klassischer Basis. Natürliche Anmut tänzerisch luftig-lockere Virtuosität und Elegance halten angemessene Distanz zur Sentimentalität, werden von Angela Philipp als Julia Amme gelegentlich und effektvoll kontrapunktiert in komödiantisch­burlesken Szenen. 

Das Ganze: ein Ballettabend für Gourmets. Begeisterter Beifall.   
 


30./31. Oktober / 1. November 1999   DOLOMITEN

Romeo und Julia mit Ballettsolisten der Komischen Oper Berlin in Bozen und Meran

Betörende, ungeheure Schönheit 

Zauber des Balletts mit den Solisten der Komischen Oper Berlin:
Gregor Seyffert (Romeo) und Angela Reinhardt (Julia)

 Es war eine der schlicht ergreifendsten tänzerischen Interpretationen von Prokofjews ,,Romeo und Julia", welche die Ersten Solisten der Komischen Oper Berlin und Hans-Dieter Scheibel vergan­genen Dienstag und Mittwoch in Bozen und Meran präsentierten. Ergreifend, denn nach den gewaltigen Produktionen von Ashton, Cranko und Mac­Millan vermochte Mike-Martin Robackis Kammerballettfassung der Choreographie von Tom Schilling dank einer faszinierenden  Mischung  von Wort, Ton und Tanz tiefe und unmittelbare Betroffenheit zu erzeugen.
 
Schilling, der sein Ensemble an der Komischen Oper Berlin weg von der akademischen Ballettpflege führte, verzichtet wie immer auf spektakuläre Elemente zugunsten eines bewegungsorientierten  Tanzes, der in einer klaren dramaturgischen Konzeption das gesamte Spektrum der Ausdrucksmöglichkeiten  nutzt. Und die Essenz dieser Konzeption, die in der delikaten und zugleich kräftigen Charakterisierung der einzelnen Figuren die Tragödie zweier Liebenden zu dem persönlichen Drama des Zuschauers macht, erfährt in der Regie von Robacki eine weitere Steigerung. Überflüssiges wird mit Wesentlichem ersetzt,  man konzentriert  sich  auf die Hauptepisoden, Ensembleszenen entfallen, die Darsteller sind auf die beiden Hauptrollen, die Amme und Pater Lorenzo reduziert, der die Handlung in einer Neudichtung von Robacki zusammenfasst.  -  Die  gewagtesten Schritte und Sprünge des klassischen Balletts verbinden sich mit Elementen des modernen Tanzes, schwierigste Figuren lösen sich mit selbstverständlicher Präzision in Leichtigkeit auf.

 
Angela Philipp verkörpert die ideale, zwischen Sorge und Komik schwankende Amme, Hans-Dieter Scheibel einen gewaltigen Pater Lorenzo. Angela Reinhardt ist der Inbegriff der jugendlichen Grazie, eine bezaubernde Julia, deren Staunen angesichts der keimenden Liebe, sich in jeder Bewegung, jeder Geste, und selbst in den geringsten Regungen ihres Antlitzes spiegelt. Erschütternd ist ihr Unverständnis und ihre Verzweiflung vor dem Tode des Geliebten. Gregor Seyffert als Romeo könnte tänzerisch und schauspielerisch nicht vollendeter sein. Stolz und kämpferisch, ist er ein leidenschaftlicher Partner, der jede Nuance seiner Rolle meistert und sich zu wahrer Tragik emporschwingt. 

Alexandra Michler 
 


WAZ  29.11. 99

Blickpunkt: Kammerballett

Tragödie nahm im Tanz bewegende Gestalt an

,,Romeo und Julia" im Bürgerhaus Langenberg

 Begeisterung löste das Kammerspiel Romeo und Julia" im Bürgerhaus Langenberg aus.
Die Solisten der Komischen Oper in Berlin boten eine eindrucksvolle Leistung. 

Mit „Romeo und Julia“, einem romantischen Kammerballett für drei Tänzer und einen Schauspieler, gastierten Solisten der Komischen Oper in Berlin im Langenberger Bürgerhaus. Es wurde ein künstlerisch eindrucksvoller Abend, der von den Zuschauern begeistert aufgenommen wurde.

Diesem Kammerballett liegt Wiiliam Shakespeares bekannte Tragödie zugrunde. Außerdem wurde die Ballettmusik von Sergej Prokofjew dazu herangezogen, die mit entsprechenden Schnitten vom Band zugespielt wurde.
Shakespeares Stück wurde für diese Fassung auf die eigentliche Handlung um Romeo und Julia reduziert, ergänzt nur um die Rollen der Ämme und des Pater Lorenzo. In zehn Bilder aufgeteilt, wurde der Zusammenhang der Geschichte durch Übergangstexte gewährleistet, die Hans-Dieter Scheibel, der Darsteller des Pater Lorenzo, sprach.
Es bedarf einer besonderen tänzerischen Ausdruckskunst, den Inhalt des Stücks eben mit tänzerischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen. In der Choreographie von Tom Schilling war das sehr eindrucksvoll erarbeitet worden. Angela Reinhardt (Julia), Gregor Seyffert (Romeo) und Angela Philipp (Amme) verkörperten im Tanz ihre Rol­len höchst überzeugend.

Die tragische Geschichte einer großen Liebe zwischen zwei Jugendlichen aus verfeindeten Familien nahm in deren Tanz bewegende Gestalt an. Dazu erklang die genial geschriebene Musik von Prokofjew, hier auf die konzentrierte Kammerballettfassung entspre­chend zugeschnitten.
Tom Schillings Choreographie nahm die Musik sehr einfühlsam auf und synchronisierte sie mit dem Tanz zu einer faszinierenden Symbiose. Tänzerische und musikalische Wendungen fanden sich in nahtloser Übereinstimmung.
Zahlreicher Szenenapplaus brachte deutlich die Zustimmung der Zuschauer zum Ausdruck. Am Ende des Abends wollte der Beifall im Bürgerhaus dann kaum enden.

Adolf Watty
 


Il mattino 28.
Oktober 1999

Romeo und Julia von Prokofiew, veranstaltet vom Kulturinstitut

Noch einmal ,, Romeo and Juliet": Die außergewöhnliche musikalische Handschrift von Prokofiew, nicht ohne romantischen Glanz, aber in der Art des ,,heiligen" Rußlands (Tschaikowsky inbegriffen), ganz und gar in unser Jahrhundert projiziert, eine Komposition mit szenischen Höhepunkten vereint sich im Tanztheater Tom Schillings, dem Chefchoreographen der Komischen Oper Berlin. Es entsteht hier ein ,,poetischer Realismus" im besten Sinne des Wortes, eine echte große Poesie ohne Effekthascherei, optimal dargestellt von drei Tänzern und einem Schauspieler ( Angela Reinhardt als Julia, Gregor Seyffert als Romeo, Angela Philipp als Amme und Hans-Dieter Scheibel als Pater Lorenzo ) in einer lebhaften, dem Inhalt angepaßten Vorstellung, ganz ohne szenischen Prunk. Auch bei den Kostümen beschränkt man sich auf das Wesentliche, nichts erscheint überflüssig.

Es ist noch interessant zu erwähnen, daß der ,,Genosse Prokofiew" im tiefsten stalinistischen Terror, wie es einmal Massimo Mila im Jahre 1936 formulierte, sich solchen kleinbürgerlichen Problemen wie der Liebe und der Leidenschaft widmete. Das ,,unglückliche Bewußtsein", wie es vielleicht ein hartnäckiger Hegel-Marxist bezeichnen würde, ist hier von Schilling & Co, die alle aus Ost-Deutschland stammen (das ist das von Ulbricht und Honecker), wieder aufgewertet worden, auch wenn die Mauer schon vor vielen Jahren gefallen ist. Vielleicht hat man im Westen den Teufel anders dargestellt als er wirklich war, während man im Osten ständig dabei war, Komplotte und Geheimagenten aufzudecken.

Ehrlicherweise sind viele Dinge zu überdenken und neu zu bewerten. Auf jeden Fall sind wir dem Kulturinstitut dankbar, daß es uns (endlich einmal) ein solch hochwertiges Beispiel von Tanztheater ermöglicht hat. Inzwischen kann Onkel Will (genannt Shakespeare) beruhigt auf seinem Ruhekissen weiterschlafen.

 Übersetzung aus dem Italienischen: Jürgen Naumann
 


28.12. 98 Bernburger Kurier

Erste Solisten der Komischen Oper Berlin gastierten mit dem Kammerballett ,,Romeo und Julia" im großen Haus des Bemburger Theaters.

Opfer des tiefen Hasses zwischen den Menschen

Erste Solisten aus Berlin gastierten mit großem Erfolg im Bernburger Theater

  Bernburg/MZ/je. Zu Feiertagen und besonders zu Weihnachten gönnen sich Kunstfreunde gerne etwas Besonderes. Daher hatte das Theater das Kammerballett ,,Romeo und Julia" in sein Weihnachtsprogramm aufgenommen. Besetzt mit den ersten Solisten der Komischen Oper  in Berlin, wurde dies Aufführung ein kultureller Höhepunkt des Weihnachtsfestes. 

Die Geschichte von Liebe und Tod zweier Menschen aus ver­feindeten Familien zu Verona wurde durch Tom Schilling auf der Grundlage der Musik von Sergej Prokofiew zu einem großen Ballettwerk gestaltet.  Die in Bernburg zur Aufführung gebrachte  Kammerballettfassung für drei Tänzer und einen Schauspieler basiert auf den Hauptszenen. Trotz dieser Einschränkungen hat diese Fassung nichts von der Ausdruckskraft dank einer engen Verknüpfung von gesprochenem Wort, Musik und Tanz verloren und muß als eigenständiges Werk betrachtet werden. Mit einfachen Mitteln wurde auch auf der kleinen Bühne ein emotionsreiches  und  ergreifendes Spiel der Gefühle geboten. 

Mit der Besetzung von Gregor Seyffert als Romeo und Angela Reinhardt als Julia stand ein klassisches Paar auf der Bühne, das mit seinem tänzerischen Können begeisterte. Eine jugendlich frische Julia mit dem heißblütigen und grenzenlos verliebten Romeo brachte ihre Gefühle voll zum Ausdruck, Ob in der verspielten Tanzszene in Julias Zimmer bei der Kleiderschau mit jugendlichem Übermut oder in der Abschiedsszene nach der Brautnacht voller Trennungsschmerz. Es war ein elegantes, ausdrucksstarkes Spiel der Körper. Dieses Paar fand eine wertvolle Ergänzung durch die Amme, getanzt von Angela Philipp, die besonders durch ihre humorigen Tanzpartien zu den tragischen Szenen ausgleichend wirkte. Dem Schauspieler Hans-Dieter Scheibel in der Rolle des Pater Lorenzo kam die vermittelnde Rolle dieses Spieles zu. 

Eine Darbietung, die, von Spitzenkräften der Berliner Komischen  Oper  gestaltet,  keinen Wunsch offen ließ. Ergänzt durch die wunderbar nuancierte Musik Prokofiews wurde es ein Theatererlebnis der besonderen Art, das tiefe Eindrücke bei den Zuschauern hinterließ.
 


18.12.98 MAIN-SPITZE RSSH

 Mit heißblütiger Hingabe

  Tanztheater der ,,Komischen Oper Berlin" präsentierte ,,Romeo und Julia"

 RÜSSELSHEIM - Die ,,Romeo und Julia"- Inszenierung von Choreograph Tom Schilling hat der ,,Komischen Oper" in Berlin stets ein volles Haus beschert. Am Mittwochabend gastierte das mit Solisten von internationalem Spitzenniveau besetzte Kammerballett-Ensemble in einer Vorstellung des Gemischten Rings II im Rüsselsheimer Stadttheater.
Von Cathrin Walczyk

 

 ,,Romeo und Julia", Sinnbild für die große Liebe, Inbegriff von süßschmerzender Romantik und nie gestorbener Intensität,  die  Liebestragödie schlechthin. Viele Inszenierungen hat Shakespeares Mei­sterstück schon gesehen, viele Verfilmungen und auch Verfremdungen.

 Am Mittwochabend bescherte Mike-Martin Robackis Kammerballettversion mit der Choreographie von Tom Schilling - Träger des Deutschen Tanzpreises 1996 und Gründer des Tanztheaters der ,,Komischen Oper Berlin" - dem Rüsselsheimer Publikum einen Ballettabend der besonderen Art: Erbauend, spannungsreich, bewegend. Oder war es doch ein Theaterabend?
 
Die auf drei Tänzer und einen Schauspieler reduzierte Fassung vermittelt zwischen den Ebenen: Auf einem soliden klassischen Bewegungsvokabular aufbauend, sind die Tänzer gleichzeitig Akteure. Das Tanzparkett wandelt sich zur Bühne.
 Der rein schauspielerische Part von Hans-Dieter Scheibel als Lorenzo bildet den erzählerischen Konstruktionsrahmen des Stückes. Daneben bringen die drei Tänzer die nonverbale Kommunikation in Haltung und  Bewegung meisterhaft zum Ausdruck. Besonders die Julia wird in ihrer natürlichen Kindlichkeit und Verspieltheit von Angela Reinhardt mehr als sensibel dargestellt. Das Tanzen wirkt impulsiv und dennoch sinndurchzogen. In ihre natürlich anmutende Gesten sind raffinierte Schritte und Kombinationen integriert.
 Den gleichwertigen Gegenpart stellt Gregor Seyffert - weltbester Tänzer 1997 - , der den liebestrunkenen Romeo mit heißblütiger Hingabe verkörpert; ein Kuß im Klimmzug an Julias Balkon läßt das Herz - vor allem das der weiblichen Zuschauer - erweichen.
 Die Amme (Angela Philipp) zeigt sich hingegen komödiantisch veranlagt, besticht im Wechselspiel  mit  Lorenzo. Lückenlos mit komischen Momenten gespickt, nimmt die moderne Aufführung dem Ballett so das Steife und Verbissene.

Neben dem Charme der Darsteller lebt die Aufführung vor allem von ihrer unmittelbaren Schlichtheit. Kein pompöses Bühnenbild, keine überladenen Tanzszenen oder aufgesetzten Gesten. Dafür viel Ausdruck und überzeugende Ausstrahlung sowie eine eindrucksvolle Charakterentfaltung sowohl der Tänzer als auch des Stückes als solchem.

Vor allem das fein abgestimmte Zusammenspiel des Lichts mit Sergej Prokofjews Musik macht aus der ohnehin kompakten Choreographie ein lückenloses Meisterstück des poetischen Realismus.
 


Hohenloher Zeitung vom 6. Dezember 1997

„Romeo und Julia" als Kammerballett in der Öhringer Kultura 

Liebe kennt keine Gefahr

 Von Michael Dignal

Seit über zwölf Jahren wird an der Komischen Oper Berlin Sergej Prokofjews Ballett ,,Romeo und Julia" erfolgreich aufgeführt. Die Choreographie von Tom Schilling wurde auch für die kleine Variante, mit der seit letztem Jahr das Potsdamer Schloßtheater auf sich aufmerksam macht, beibehalten. Allerdings hat Regisseur Mike-Martin Robacki hierfür die Besetzung auf drei Tanzrollen und eine Sprechrolle reduziert. Diese Kammerballettfassung des unsterblichen Liebesdramas, erstmals außerhalb Potsdams, brachte die Kulturstiftung Hohenlohe jetzt in die Öhringer Kultura.
Rot ist die Farbe des Blutes und des Feuers, der Liebe und der Gefahr. Robackis Inszenierung bedient sich dieser Farbsymbolik: mit einer roten Rose, einem roten Bett, roten Tüchern und rotem Licht. Schon zu Beginn ist der Raum von Rauch und rötlichem Schein erfüllt. ,,Verona brennt“, klagt Pater Lorenzo (Hans-Dieter Scheibel) und erinnert sich an den Konflikt der Adelshäuser Montague und Capulet, in dem die Liebe von Romeo und Julia heimlich aufblühte und tragisch unterging. So erzählt er die Geschichte und läßt sie auf der Bühne lebendig werden.
Thomas Vollmer tanzt den Romeo, der schon beim ersten zufälligen Treffen für Julia entflammt. Seine Liebe ist mächtig und kennt keine Zurückhaltung. Angela Reinhardt ist die zunächst mädchenhaft verspielte Julia, die mit ihrer Amme (Angela  Philipp)  Schabernack treibt, dann jedoch auch - Romeos Rose vor Augen - dem Liebesrausch verfällt.
Ihr Tanz beim Maskenball und in der Balkonszene, ist hingebungsvoll, kurze Momente der Versunkenheit verbinden sich mit nahezu ekstatischem Taumel. Die tänzerische Form ist konventionell, fern jeglicher Modernität - gleichwohl gelingt es Vollmer und Reinhardt, die Leidenschaft überzeugend zu verkörpern: sie eher keck, er athletisch, beide mit sicherem Gefühl für den musikalischen Ablauf.
Als Romeo zum Affektmörder wird, schlägt der Bewegungsfluß in abrupte Heftigkeit um. Noch einmal verbindet sich das Paar in Zärtlichkeit, bevor Romeo flieht und das Verhängnis, trotz der Fürsorge der Amme und des Paters, seinen Lauf nimmt. Das Ende kommt rasch, doch auch hier wirkt die Physis der Verzweiflung, der Fas­sungslosigkeit und der Entschlossenheit zum Tode nicht aufgesetzt.
Unterstützt wurde die konzentrierte Darstellung von eindrucksvollen Licht- und Schatteneffekten. Die Worte des Paters, die Musik, die entscheidenden Momente auf der Bühne, deren so noch nie gesehene Größe die Weite der Gefühle wie des Schicksals umfaßte - all dies erfuhr durch die aufwendige Illumination szenische Hervorhebungen, deren Faszination sich das Publikum nicht entziehen konnte. Für diese bildkräftige, bündige Gestal­tung und die Leistung der vier Akteure gab es lang anhaltenden, berechtigten Beifall.
 


21. Mai 1996 / Märkische Allgemeine

 Vom Taumel der Sinne

,,Romeo und Julia" als Kammerballett im Potsdamer Schloßtheater

Von Volkmar Draeger 

Jubiläen pflegt man mit besonderen Ereignissen zu feiern. Auf ein solches Jubiläum können die Potsdamer Hofkonzerte im Schloßtheater des Neuen Palais verweisen. In ihren nunmehr sechsten Jahrgang reiht sich zum fünftenmal auch Tanz ein. Vier Spielzeiten lang stand historischer Tanz auf dem Programm, und jene ,,Höfischen Impressionen" erfreuten sich reger Publikumsgunst. Das stachelte den Ehrgeiz der Veranstalter an, Neues, Größeres zu wagen. Als kooperativer Partner konnte die Komische Oper Berlin gewonnen werden. Nach mehr als 25jährigem Wirken steht als Synonym für deren erfolgreiche Tanztheaterproduktionen  noch immer ihr einstiger Chefchoreograph Tom Schilling.

 Bereits mehr als 100 Auf­führungen erlebte Schillings Inszenierung von ,,Romeo und Julia" mit der Premiere 1983. Die klassische Tragödie vom Liebestod der Kinder zweier verfeindeter Veroneser Adelshäuser auf eine Kammertanzvariante zu reduzieren und somit auch kleineren Spielstätten zugänglich zu machen, war die Idee für den diesjährigen Tanzbeitrag der Potsdamer Hofkonzerte.
Gemeinsam mit dem Choreographen entstand eine Version, die mit nur drei Tänzern auskommt: Romeo, Julia und ihrer Amme. Pater Lorenzo wurde als Sprechrolle einem Schauspieler anvertraut.
Was man, auch angesichts der auf großes Handlungsballett zielenden Musik von Sergej Prokofjew, kaum für möglich hielt, gelang dem Potsdam Experiment. Trotz verknappter   Personnage, trotz Wegfalls der Ensemble-, und Fechtszenen und trotz der winzigen Bühne fließt der Strom der Emotionen ungehindert dem Zuschauer entgegen, wenngleich die tänzerische Bewegung verhaltener ausfallen muß.
Mike-Martin Robackis behutsame Regie trägt dazu ebenso bei wie jene fein geschliffenen Texte im Shaekespeare-Tonfall, die er als verbalen Leitfaden Hans-Dieter Scheibels nobel-humanistischem Lorenzo in den Mund legt. Der Pater erinnert sich während neuerlicher Adelsfehden in Verona des alten Liebesdramas , - dies die Grundkonzeption. Was sich eingangs noch spielerisch ­pantomimisch anläßt, kommt tänzerisch erst so recht in Fahrt mit den Rückgriffen auf Schillings Erfindungen: der Begegnung des Liebespaares beim Capulet-Ball, der Balkonszene, am Morgen nach der Brautnacht und beim Liebestod. In zehn Bilder von zwei Stunden Dauer teilt sich das gefühlstrunkene Geschehen.  Seinen Zauber entlehnt es maßgeblich der Darstellung des Paares, dessen Interpreten langjährige Rollenerfahrung  anzumerken ist. Angela Reinhardts verspielter Julia vermag sich nicht nur Romeo schwerlich zu entziehen, dem Gregor Seyffert, mit seiner Lockenpracht auch äußerlich ein der Renaissance   entstiegener Jüngling, den knabenhaften Furor erster Leidenschaft verleiht.  Angela Philipps charaktertänzerische Qualitäten als Amme grundieren den Liebestaumel.
 


20. MAI 96   BERLINER MORGENPOST

FEUILLETON

Tänzerischer Blick in die Seele von Romeo und Julia

Die größte Liebestragödie des Theaters hat ein neues reizendes Gewand bekommen. Romeos und Julias Liebe über die Feindschaft ihrer Familien hinweg ist als ergreifendes Drama aus Shakespeares Feder bekannt. Die Unverbrüchlichkeit der Treue hat Sergej Prokofjew in Musik gefaßt.
 
Nun ist unter der geschickten Hand des Regisseurs Mike-Martin Robacki daraus ein Kammerballett für drei Solotänzer und einen Schauspieler geworden. Robacki konzentriert sich in seiner Fassung von „Romeo und Julia" auf das Liebespaar, die Amme und Pater Lorenzo. Das Ergebnis dieser Verknappung ist ein erweiterter Blick in die Seelen der Personen.
 Robacki hat seine Version extra für die Potsdamer Hofkonzerte konzipiert. So findet dieses Ballett Platz im Schloßtheater im Neuen Palais von Sanssouci. In der Bescheidenheit liegt die Größe dieses Kammerballetts. Mit einfachen Mitteln wird die kleine Bühne zur Welt der großen Emotionen.
 Tom Schilling hat das klassische Ballett stilsicher mit neuen Bewegungen und Figuren erweitert. Phänomenale Leistungen zeigen Angela Reinhardt als Julia und Gregor Seyffert als Romeo.
Ausdrucksstark mit den kauzig humorigen Tanzeinlagen erweist sich Angela Philipp als die Amme Julias. Pater Lorenzos Erzählung hält die Geschichte zusammen. Robackis Neudichtung spielt und spricht Hans-Dieter Scheibel mit lyrischer Hingabe. Die Toneinspielung der Ballettausschnitte stammt vom Orchester der Komischen Oper.   
EvK